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Rudolf Bonvie, geboren 1947, lebt und arbeitet seit den späten
sechziger Jahren in Köln. Er gehört in Deutschland heute zu
den herausragenden Persönlichkeiten einer experimentellen künstlerischen
Praxis mit Fotografie. Doch bereits seit Mitte der siebziger Jahre hat
er sporadisch Videoarbeiten realisiert, als Videobänder, die er
jedoch meist in installativen Zusammenhängen zeigt. Meist sind
sie Teil einer umfang-reicheren Werkgruppe, die in der Regel unter einem
Generalthema steht.
Auch das Videoband ,,Portrait" macht in dieser Hinsicht keine
Ausnahme. Produziert wurde es als eine von zwei Videoquellen für
die Installation ,,Portrait", die den Abschluß der Ausstellung
in der Stadtgalerie Saarbrücken,1990 bildete, in der die ganze
Werkgruppe zum Thema ,,Portrait" zusammengefaßt war.
Sie besteht aus wenigstens drei Foto-Ensembles sowie der Installation,
die neben zwei Videoquellen auch eine permanente Diaprojektion eines
Hühnereis (auf eine t-förmige Sockelarchitektur für die
Videomonitore) einschließt. Bernd Schulz hat ein schlüssiges
Fazit aus dieser Werkgruppe gezogen, das allerdings nur für die
Fotoarbeiten gilt: ,Der Künstler selbst spricht bei seinen Arbeiten
von Portrait. Indem er jedoch nicht eine
Person portraitiert, sondern die Art und Weise zitiert, in der in den
Massenmedien portraitiert wird, wird sein Portrait zur Äußerung
über diese Art Portraitfotografie."
Die Videoarbeit Bonvies zum Thema Portrait thematisiert dagegen überwiegend
die mit dem Abbildungsmedium verknüpften Wunschenergien.
Dies wird in dem ausgekoppelten Videoband ,,Portrait" sehr deutlich.Das
Band beginnt mit einer mehrfachen Wiederholung von drei Bildsequenzen:
ein menschliches Auge, das Foto einer jungen Frau mit einem schwarzen
Balken über den Augen, das Herausheben eines ganzen Satzes von
Uranbrennstäben aus dem kühlenden Wasserbad in einem Kernkraftwerk.
Die Wiederholung der Sequenzen entwickelt einen über ihr liegenden
Handlungsablauf, insofern etwa das Auge zunächst geschlossen ist,
dann das Lid zu zittern beginnt und schließhch das geöffnete
Auge zu sehen ist. Entsprechend werden die Bildausschnitte der anderen
Sequenzen immer kleiner, sodaß ein Zoom-Effekt entsteht, der,
verbunden mit dem sich öffnenden Auge, einen dramatischen Stimmungswert
produziert und hohe emotionale Erwartung an das folgende weckt.
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Dies besteht dann ebenfalls aus drei motivischen Sequenzen, die wiederholt
von dem geöffneten Auge unterbrochen werden, teilweise aber auch
von Bildern einer Fahrt durch den Stollen eines Salzbergwerks, die für
die beiden Hauptteile des Bandes die kompositorische Zäsur darstellen.
Der Übergang von Teil 1 zu diesen Bildern ist im klassischen Schuß-Gegenschuß-Verfahren
konstruiert, d.h. daß der Blick des Auges im harten Schnitt mit
der Tiefe des Tunnels verbunden wird. Durch die schlechten Lichtverhältnisse
und eine nicht im Weissabgleich justierte Kamera bedingt sind die Tunnelaufnahmen
rosa-violett eingefärbt und sehr flau, sodaß sich auch der
Eindruck einer organischen Röhre ergibt, durch die die Kamera fährt,
die Speiseröhre etwa oder der Uterus.
Die drei folgenden Motive sind sehr grafisch angelegte Detailvergrößer-ungen
vorgefundener Muster, deren Ursprung kaum rekonstruierbar erscheint.
Es kann sich um schuppenartige, rasterartige oder dekorativtextile Strukturen
handeln, An ihren hellen Stellen schimmern immer wieder Aufnahmen von
der Explosion einer Atombombe durch. Das zweite Muster wird plötzlich
mit der Nahaufnahme des Blütenkelches einer roten Rose unterlegt.
Dazwischen sind längere Phasen montiert mit der Aufnahme des Auges,
das gegen Ende des Bandes unruhig hin und her schweift. Dadurch gerät
die Pupille teilweise aus dem Bildfeld, und es ist nur noch der weiße
Augapfel zu sehen, von feinen roten Adern durchzogen.
Das sich öffnende Menschenauge stammt aus dem Film ,,Peeping Tom
(1958), der Lustgewinn und mechanische Bildreproduktion thematisch verknüpft
am Beispiel eines jungen Fotografen, der durch die Fotografie zum Mörder
wird. Auch andere Motive evozieren eine apokalyptische Stimmung (Brennstäbe
und Bombenexplosion).
Darüber liegen die abstrakten Muster, in deren Mitte als Zitat
sentimentalischer Manier, als Epitaph das Bild der roten Rose erscheint.
Zusammen mit der lkonographie aus den romanesken Texten Georges Batailles,
des großen Theoretikers einer Erotik der Kommunikation, zu der
letztlich auch der weiße Augapfel als Abbild des Hodens zählt,
entsteht in Bonvies "Portrait" ein eindrucksvolles Tableau
der libidinösen Dimension im Umgang mit den Reproduktionsmedien
der Bilder.
Friedemann Malsch
( Publikation" Video im Kölnischen Kunstverein", 1990)
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