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,,Portrait
ist der unscheinbare Titel für eine neue Werkgruppe, die Rudolf Bonvie
in Verbindung mit Arbeiten 1978 und 1979 zum erstenmal geschlossen vorstellt.
Sie umfaßt zwei mehrteilige Fotoarbeiten, die äußerlich
ein formales Prinzip von lapidarer Strenge kennzeichnet. Einer großformatigen
horizontal gegebenen fotografischen Bildtafel 89 x 218 cm sind rechts
sieben, respektive drei rechteckige Tafeln 35,5 x 123 cm entweder übereinander
gestaffelt oder als Bildfolge nebeneinander gereiht, zugeordnet. Die drifte
Fotoarbeit besteht aus vier gleichgroßen Bildtafeln 52,5 x 185 cm,
die damit denjenigen der beiden anderen Arbeiten entsprechen. Das Größenverhältnis
der Flächenformate wird in allen drei Arbeiten beibehalten, das auf
eine inhaltliche Absicht schließen läßt.
Das Hauptbild zeigt in ,,Portrait" (1) farbig und ,,Portrait"
(II) schwarz/weiß den durch extreme Vergrößerung stark
aufgerasterten Ausschnitt eines Kopfes in Höhe der Augen, die in
,,Portrait,' (1> von einem schwarzen Balken ,überdeckt', in ,,Portrait"
(II) von einem identischen ,weißen' Balken negativ ,ausgespart'
sind. Verhüllung und Leere, so könnten die Balken in ihrer bildnerischen
Funktion beschrieben werden, beide Aspekte haben etwas mit dem SEHEN,
mit Wahrnehmen und Denken, mit Individualität und der Identität
eines Menschen zu tun, dem einerseits in ,,Portrait,' (1) SEHEN ,aktiv'
verwehrt wird (schwarzer Balken), oder dem im Sinne eines ,passiven' SEHENS,
im Traum, im Unbewußten Bilder imaginativ vor Augen treten.
Die Kopfausschnitte sind nur durch die Farbgebung, d.h. die farbige und
schwarz/weiße Variante unterschieden, wie sich ebenso die rechteckigen
Zonen der Balkenflächen entsprechen. So sind die Haupttafeln der
zwei Fotoarbeiten unmittelbar aufeinander bezogen. Sie sagen dadurch etwas
über den Menschen, über eine seiner wichtigsten Fähigkeiten
aus:
durch SEHEN sich die Welt, die Wirklichkeit zu erschließen, Bewußtsein
zu bilden und Wissen über die Umstände, Zusammenhänge,
Gegebenheiten, Wirkungen und Konse-quenzen zu gewinnen, in denen sich
Leben abspielt, manifestiert, anschaulich Gestalt, Ausdruck und Sprachfähigkeit
annimmt. Der Bildausschnitt des Kopfes ist von Rudolf Bonvie so gewählt
und im Medium der Fotografie so weit über das ,natürliche' Verhältnis
von Fläche und Proportionalität zur faktischen Realität
vergrößert, daß durch diese |
proportionale
Verschiebung gleichzeitig andere inhaltliche Wertigkeiten Gewicht erhalten:
an die Stelle der Lesbarkeit einer ganzheitlichen bildlichen Darstellung
und darum eindeutigen Information über den Menschen, der hier zitiert
wird, an die Stelle der traditionellen Abbildfunktion und Information
über Realität, tritt, unter bewußtem Verzicht auf jede
Identifizierbarkeit des Individuums, ein bildhaft formuliertes, anschauliches
und doch gedankliches Argument als Metapher.
Zwei Ebenen kommen ins Spiel, die jede ein eigenes komplexes Bezugsfeld
thematisieren: 1. Was beinhaltet ,bewußtes' und ,unbewußtes'
Sehen als Element der Ausprägung einer Wirklichkeitsvorstellung und
dem Bezug zur Realität des eigenen Seins? - oder: Wer bin ich im
Spiegel der Bilder, die mich umgeben, welches sind die Bilder, in denen
ich mich identifizierte?
2. Welche Argumentationsebenen hält das Medium der anschaulichen
Reproduzierbarkeit von Realität, die Fotografie, bereit und welcher
Umgang führt zu welchem Ergebnis: anders formuliert - wo liegen die
Grenzen der Fotografie, gibt es sie überhaupt? Beide Fragerichtungen
zielen darauf ab, dem Sog der Bilder und den, wie man heute sagen würde,
Mechanismen der Simulation entgegenzuwirken, die sich als Wirklichkeit
zunehmend selbst behauptet und doch nur die Spiegelung einer Informationsflut
über ein reales Geschehen ist, die die räumliche Disparatheit
und zeitliche Ungleichzeitigkeit aufhebt, beide auf eine imaginäre
Ebene einer Jetztzeit projeziert, die an uns vorüberrauscht, an der
wir nicht beteiligt sind und doch daran teilhaben, weil die vielfältigen
Kommunikationsmittel unsere Wahrnehmung, unser Denken und Sehen, unser
Bewußtsein beeinflußen, verändern und bis zur Karikatur
zu deformieren drohen. Rudolf Bonvie stellt bildnerisch die Gegenfrage
nach der Funktion des BILDES, um mit ihr dem Medium Fotografie nicht nur
jene Qualität zurückzugewinnen, die dem Verschleiß einer
unkritischen Konsumierung von suggestiven, effekthascherischen optischen
Reizen zum Opfer gefallen ist, sondern die sie als autonomes Medium künstlerischen
Denkens und Gestaltens den anderen bildkünstlerischen Medien gleichstellt.
Rudolf Bonvie ordnet den Haupftafeln die vielteiligen Begleittafeln zu.
Sie weisen in ,,Portrait" (1) fotografisch reproduzierte Strukturen
oder ebensolche monochromen Farbflächen auf, die ebenfalls nicht
dem Prinzip |